

Kulturwagen – ÜBER DAS NEIN HINAUS – Die radix-blätter
AUSSTELLUNG
- 17.05. – 26.08. 2019 | täglich 10 – 18 Uhr | im Hof des Kultur- und Bildungszentrums „Sebastian Haffner“, Prenzlauer Allee 227/228
- 27.08. – 15.10.19 | täglich 10 – 18 Uhr | Pankow Ossiezkistraße / Breite Straße
- 16.10. – 31.10.19 | täglich 10 – 18 Uhr | im Hof des Kultur- und Bildungszentrums „Sebastian Haffner“, Prenzlauer Allee 227/228
- 01.11. – 30.11.19 | täglich 11 – 15 Uhr | im Hof des Kultur- und Bildungszentrums „Sebastian Haffner“, Prenzlauer Allee 227/228
- 1.12.19 – 31.3.20 | sonntags 11 – 16 Uhr | im Hof des Kultur- und Bildungszentrums „Sebastian Haffner“, Prenzlauer Allee 227/228
Ein Berliner Untergrundverlag 1986–1989
Der BrotfabrikKulturwagen tourt im Jubiläumsjahr 2019 (30 Jahre Friedliche Revolution und 30 Jahre Mauerfall) mit einem Stück lebendiger und spannender Zeitgeschichte der DDR-Opposition durch den Berlin Bezirk Pankow (von Mitte Mai – Ende Oktober). Die Ausstellung erzählt anhand von Texten, Fotografien, Tonaufnahmen und künstlerischen Samisdat-Blättern die Geschichte der radix-blätter, die exemplarisch für die konspirativen Untergrundverlage- und Druckereien stehen, die seit den achtziger Jahren in privaten Wohnungen und Ladengeschäften Ost-Berlins nicht-systemkonforme Texte und Kunstwerke vervielfältigten und verbreiteten. In den achtziger Jahren entwickelte sich in der DDR eine vielfarbige oppositionelle Untergrundliteratur – der Samisdat (самиздат).
Die „radix-blätter“ versuchten unterschiedliche (Gegen)Stimmen zur geistigen, kulturellen und politischen Situation in der Spätphase der DDR zu vereinen und dabei „einen Diskurs von Opposition und Kunst anzustoßen.“ Dabei galt den Machern des Samisdat-Verlages Kunst als der konzentrierteste Ausdruck von Gesellschaft.
Stephan Bickhardt, ein junger Theologie- und Pädagogikstudent, gründete 1986 gemeinsam mit dem Mathematiker Ludwig Mehlhorn und Konrad Blank den radix-Verlag mit einer illegalen und bis zum Ende der DDR unentdeckte Druckerei in der Ferdinandstraße 4 (später Knaackstraße 34) in der bis 1989 elf Samisdathefte mit einer Auflagenhöhe von jeweils bis zu 3.000 Exemplaren herausgegeben wurden. „Radix“, ein lateinisches Wort bedeutet Quelle, Ursprung oder Wurzelgeflecht – Bedeutungen, die zwischen 1986 und 1989 in der DDR zum Programm dieses Untergrundverlages wurden .„Dialog und Öffnung“ werden zu dessen Leitbegriffen und Zielen. Der Verlagsname geht auf das gleichnamige Gedicht von Paul Celan zurück, dem auch das erste Heft unter dem Titel „Schattenverschlüsse. Zu Paul Celan“ gewidmet war. Ludwig Mehlhorn startete mit dem Verlag anlässlich des 25.Jahrestages des Mauerbaus eine Initiative gegen die Systemabgrenzung der DDR, bei der Tausende von Flugblättern gedruckt und in den „Aufrissen“ thematisiert wurden. Die „Aufrisse“ waren mit stilisierten Stacheldraht auf einer Banderole verklebt und mussten aufgerissen werden.
Dem Verlag standen zwei Ormig-Abzugsgeräte, die mit Spiritus-Matrizen arbeiteten, eine Legemaschine mit Handabzug und ein Fotokopierer zur Verfügung. Derartige Geräte privat zu besitzen oder zu benutzen, war strafbar, ebenso der Besitz von Papier und Wachsmatrizen. Eine junge Medizinstudentin und Vize-DDR-Meisterin im Schnellschreiben auf der Schreibmaschine half dabei. Die Herausgeber und Autoren verteilten und verkauften Exemplare bei inoffiziellen Lesungen und Ausstellungen in privaten Wohnungen oder über die Kanäle der evangelischen Kirche wie Gemeindebüros oder Ausbildungsstätten. Ziel war es, eine Öffentlichkeit politisch zu mobilisieren und langfristig eine Kirche als politische Gegenkraft aufzubauen. Durch Schaffung von „gesellschaftlichen Parallelstrukturen“ sollten sie zur Systemüberwindung beitragen und eine alternative Öffentlichkeit etablieren.