

Spielbankaffäre (rekonstruierte OF) | Retro Überblendung
21.1.23 | 18 Uhr
(Originalfassung)
DDR/Schweden 1956/57 – 89 Min. – Farbe – R+B: Artur Pohl – K: Joachim Hasler – M: Martin Böttcher – D: Gertrud Kückelmann, Jan Hendriks, Rudolf Forster, Peter Pasetti, Willy A. Kleinau
Nach dem ideologisch bedingten Niedergang ihrer Produktion Anfang der fünfziger Jahre wollte die DEFA in der Mitte des Jahrzehnts wieder Filme für ganz Deutschland, am besten gleich für den Weltmarkt schaffen. Damit sollte auch für die DDR geworben werden, die damals von den meisten Staaten nicht anerkannt wurde.
Ein Stoff des mit dem Metier vertrauten Hans von Oettingen über das Spielcasino eines westlichen Kurorts, welches zum Objekt von Intrigen windiger Finanzjongleure wird, schien Spannung, interessantes Milieu und gewünschte politische Botschaft miteinander zu verbinden. Durch eine Kooperation mit dem westdeutschen Filmkaufmann Erich Mehl (der offiziell seine schwedische Firma agieren ließ, da die Bundesregierung deutsch-deutsche Koproduktionen zu verhindern versuchte) kam zudem viel westliche Prominenz vor die Kamera. Ebenfalls im Westen engagiert wurde Martin Böttcher, der gerade erst am Anfang seiner langen Karriere als einer der bedeutendsten deutschen Filmkomponisten stand.
Allerdings erging es dann jenen, die ein negatives Bild des Westens zeichnen wollten, so, wie es schon 1939 in Ernst Lubitschs „Ninotschka“ gezeigt worden war: Unversehens erlagen sie den Reizen des Kapitalismus und der Attraktivität des Ambientes, in dem sich das gehobene Bürgertum bewegt. So sah dies zumindest die DDR-Zensur, die den teuren Scope-Film nur verstümmelt und vor allem in Schwarzweiß und mit normal breiten (genauer: schmalen) Bildern zuließ, woraufhin es zum Bruch mit dem West-Berliner Artur Pohl kam, der der DEFA bis dahin treu gedient hatte. Neben anderen zog auch der Kameramann Joachim Hasler (der später bei der DEFA auch als Regisseur arbeitete) seinen Namen zurück. Im Westen lief der Film – ebenfalls unsinnig gekürzt, da man wohl kommunistischen Unrat witterte – unter dem Titel „Parkplatz zur großen Sehnsucht“. Hier wird die prachtvolle Originalfassung in Farbe und Scope gezeigt, die seinerzeit nirgends zu sehen war.
Gefördert mit Mitteln der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur.
Retro Überblendung:
Im Westen: Arbeitslosigkeit, Drogensucht, alte und neue Nazis, Prostitution, perspektivlose Jugendliche, falscher Schein von Aufschwung und Wohlstand, dahinter krasse soziale Gegensätze und Elend.
Im Osten: Überwachung, Unterdrückung, fanatische Kommunisten, Verfall, bescheidene Lebensverhältnisse, allgegenwärtige Angst und ein finsteres System, aus dem man flüchten möchte.
Haben Ost und West während der deutschen Teilung diejeweils andere Seite am liebsten so in Film und Fernsehen gezeigt?
Die Retrospektive »Überblendung – Vergessene Bilder von Ost und West« möchte zur Beantwortung dieser Frage beitragen, indem sie viele Raritäten präsentiert. Darunter schwer zu beschaffende Fernsehproduktionen, die wohl zum ersten Mal seit Jahrzehnten wieder zu sehen sind wie die Filme »Aus dem Alltag in der DDR« und vier Folgen der Serie »Familie Bergmann«: Anfang der 70er Jahre sollten sie den Westdeutschen das Leben im ihnen fremdgewordenen Osten des Landes nahebringen.
Weitere Ausgrabungen sind der ZDF-Film »Das Haus« über ein Gebäude an der Berliner Mauer, die NDR-Produktion »Gerhard Langhammer und die Freiheit« über die Probleme eines Flüchtlings im Westen oder der DEFA-Streifen »Was wäre, wenn …?«: 1960 spielte er durch, was geschehen könnte, sollte ein DDR-Dorf plötzlich die Seite wechseln – mit »Die Dubrow-Krise« entstand 1968 ein ähnlicher Film im Westen.
Zu den Raritäten zählen auch »Mord im Märkischen Viertel« über einen Kriminalfall in West-Berlin und »Brandstellen«,
die DEFA-Adaption eines Romans von Franz Josef Degenhardt. Schon 1966 war mit »Irrlicht und Feuer« ein gesellschaftskritisches Buch eines westdeutschen Autors, hier Max von der Grün, für das DDR-Fernsehen adaptiert worden. Und auch die ARD hatte diesen Zweiteiler 1968 gesendet.
Auf einen selbstkritischen Blick auf die eigene Seite verzichteten auch viele Westfilme über den Osten nicht. Ob in »Postlagernd Turteltaube«, »Flucht nach Berlin« oder »Gedenktag« (über den Volksaufstand vom 17. Juni 1953): Immer wieder lautete der Hauptvorwurf, die satten Westler interessiere der Osten nicht mehr.
Die Kritik, welche selbst diese Westfilme am Westen übten, verstärkte das Dilemma der Ostfilme: Eine differenzierte Darstellung der Zustände im Westen wie in »Zwischenfall in Benderath« war ohnehin eher die Ausnahme, oft wurde übertrieben und die Kritik an den Problemen entsprechend unscharf.
So wollte »Aktion J« nachweisen, dass Adenauers Kanzleramtsminister Hans Globke beim Holocaust eine gleich große Rolle gespielt hatte wie Adolf Eichmann. »Freispruch mangels Beweises«, die Verfilmung einer Münchner Affäre, wurde wenig später von der realen Entwicklung widerlegt. Gleiches war schon »Das verurteilte Dorf« widerfahren.
Da es unglaubwürdig gewesen wäre, verelendete Proletariermassen zu zeigen, widmeten sich die Ostfilme über den Westen gern den »besseren« Kreisen – und damit der Präsentation eines besonders schicken Ambientes und Lebensstils. Eine Produktion wie »Spielbankaffäre« wurde deshalb im Osten nur verstümmelt, in Schwarzweiß und im Bildformat 4:3 gezeigt. Und selbst ein Film, der von der Bundesrepublik so angewidert war wie »Der Hauptmann von Köln«, oder die Agentenserie »Das unsichtbare Visier« tappten in diese Falle.
Zu jeder der vierzig Produktionen gibt es eine fachkundige Einführung.