

DOKUARTS: Desperate Souls, Dark City…
14.10. | 18 Uhr | Festival DOKUARTS
USA 2022 | 101 Minuten | Dokumentarfilm | englische Originalfassung | R: Nancy Buirski | K: Nelson Walker | M: Rex Miller
Eine pulsierende Erkundung der komplexen kulturellen Stränge hinter dem Oscar-prämierten Film von 1969 über einen texanischen Stricher in den Straßen von Manhattan. Über ein bloßes Making-of hinausgehend, zeigt diese filmische Errungenschaft das Gefüge einer Ära samt politisch-kultureller Umbrüche auf und vereint klug und schwungvoll wenig bekanntes Material für ein Publikum des 21. Jahrhunderts.
Nancy Buirski
Midnight Cowboy aus dem Jahr 1969 war bekanntlich einer der ersten Mainstream-Filme in Hollywood, der Homosexualität ohne Scheu thematisierte: Der Protagonist des Films, Joe Buck (gespielt von Jon Voight), ist schließlich ein unbekümmerter Stricher, und der Film galt als nicht jugendfrei in Anbetracht einiger Szenen, die ihn beim Nachgehen seines illegalen Gewerbes zeigten und deren Kürzung der Regisseur, John Schlesinger (selbst homosexuell), entschieden ablehnte. Wie Nancy Buirskis fesselnder Dokumentarfilm feinfühlig darlegt, ist das eigentliche Thema des Films jedoch weniger rohes männliches Begehren als die Schönheit von Freundschaft: Joe und sein seltsamer, hinkender Gefährte Ratso (wundervoll gespielt von Dustin Hoffman), sind vielleicht ein Liebespaar, vielleicht aber auch nicht – tatsächlich höchstwahrscheinlich nicht. Wichtig ist aber, dass sie sich lieben und dass der Film diese Tatsache mit bewundernswert erwachsener Zärtlichkeit dramatisiert. Der Film ist also gewiss neben anderen Ansprüchen auf Berühmtheit auch ein humanistischer Klassiker. In der Tat haben nur wenige Filme einen so lebendigen Eindruck von dem turbulenten Jahrzehnt der 1960er Jahre hinterlassen. Eine Schar ausdrucksstarker Zeugen dieses Zeitgeistes bestätigen dies in Buirskis Film, darunter die Schauspieler selbst – Voigt, Hoffman, Ben Balaban, Brenda Vaccaro und Jennifer Salt (die Tochter des Drehbuchautors Waldo Salt, der 1951 auf Hollywoods schwarze Liste gesetzt wurde), aber auch so charmante Kulturkritiker wie Lucy Sante, J. Hoberman und John Schlesingers Neffe Ian Buruma. Buirskis Film ist ein Fest für Auge und Ohr. Ausschnitte aus dem Originalfilm, historisches Archivmaterial, New Yorker Straßenszenen und lebendig gefilmtes Interviewmaterial werden von Filmeditor Anthony Ripoli rhythmisch und souverän zusammengefügt.
Englisch
Released in 1969, “Midnight Cowboy” was famously one of the first mainstream Hollywood films to broach homosexuality without coyness; its protagonist, after all, Joe Buck (played by Jon Voight), is an insouciant street hustler and the film was X-rated in view of certain scenes showing this man plying his underground trade which the film’s director John Schlesinger (gay himself of course) resolutely refused to have shortened. And yet, as Nancy Buirski’s riveting new documentary about the movie delicately explicates, the real subject of the film is not so much raw male desire as the beauty of friendship: Joe and his strange crippled companion Ratso (wonderful performance by Dustin Hoffman) may or may not be lovers – in fact most likely not. What is important is that they love each other, and that the film dramatizes this with an admirably adult tenderness. So it is certainly a humanist classic, among other claims to fame. In fact, however, few films have left a more vivid impression of the turbulent decade. A crowd of hyper-articulate witnesses to the zeitgeist bear this out, among whom, the actors and actresses themselves, Voigt, Hoffman, Ben Balaban, Brenda Vaccaro and Jennifer Salt (daughter of the film’s blacklisted screenwriter Waldo Salt), along with delightfully suave cultural critics like Lucy Sante, J. Hoberman and John Schlesinger’s nephew Ian Buruma. It is a feast to the eye and the ear. Extracts from the original movie, historical archive footage, scenes of New York street life and vividly-shot interview.