

Der Hauptmann von Köln | Retro Überblendung
15.1.23 | 20:30 Uhr
DDR 1956 – 118 Min. – Farbe – R: Slatan Dudow – B: Henryk Keisch, Michael Tschesno-Hell, Slatan Dudow – M: Wilhelm Neef – D: Rolf Ludwig, Erwin Geschonneck, Else Wolz, Christel Bodenstein, Manfred Borges
Eigentlich heißt er nur Hauptmann, doch dann gerät der arbeitslose Kellner in Köln auf der Suche nach Beschäftigung in ein Treffen „alter Kameraden“. Die halten ihn für einen aus Südamerika zurückgekehrten Hauptmann der Wehrmacht und ebnen dem vermeintlichen Kriegsverbrecher den Weg zu einer Karriere in Wirtschaft und Politik.
Selbst für jene, denen der äußerst gallige Humor zusagt, dürfte das Vergnügen an dieser DEFA-Satire getrübt werden durch die schwerfällige Erzählweise. Wie andere vor und nach ihnen schufen die Filmemacher in ihrer Abneigung gegen die Bundesrepublik zunächst ein Zerrbild von den dortigen Verhältnissen, um sich über dieses dann wohlfeil zu ereifern.
Dass der Farbfilm in Köln spielt, bleibt eigentlich bloße Behauptung: Im Studio
mit großem Aufwand gebaute Kulissen (Slatan Dudow beanspruchte auf der Basis seines einst mit „Kuhle Wampe“ errungenen Ruhms stets erhebliche Mittel für seine DEFA-Filme) zeigen das Zentrum der im Krieg schwer zerstörten Stadt bereits vollständig wiederaufgebaut, voller Geschäfte mit reichen Auslagen und vielen Leuchtreklamen – alles Zustände, von denen man in der DDR damals nur träumen konnte. Im Reigen der gern bemühten Westklischees (die auf manchen Zuschauer freilich anders gewirkt haben dürften als beabsichtigt) fehlt auch das Nachtlokal mit Jazzmusik und Ausschweifungen nicht. Zum Schluss geben sich die Filmemacher ihren Wunschvorstellungen vom Ende des vermaledeiten Wirtschaftswunders hin, wenn sie eine Zeitung melden lassen: „Schwarzer Freitag an der Frankfurter Börse – Größter deutscher Börsenkrach seit 25 Jahren“.
Gefördert mit Mitteln der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur.
Retro Überblendung:
Im Westen: Arbeitslosigkeit, Drogensucht, alte und neue Nazis, Prostitution, perspektivlose Jugendliche, falscher Schein von Aufschwung und Wohlstand, dahinter krasse soziale Gegensätze und Elend.
Im Osten: Überwachung, Unterdrückung, fanatische Kommunisten, Verfall, bescheidene Lebensverhältnisse, allgegenwärtige Angst und ein finsteres System, aus dem man flüchten möchte.
Haben Ost und West während der deutschen Teilung diejeweils andere Seite am liebsten so in Film und Fernsehen gezeigt?
Die Retrospektive »Überblendung – Vergessene Bilder von Ost und West« möchte zur Beantwortung dieser Frage beitragen, indem sie viele Raritäten präsentiert. Darunter schwer zu beschaffende Fernsehproduktionen, die wohl zum ersten Mal seit Jahrzehnten wieder zu sehen sind wie die Filme »Aus dem Alltag in der DDR« und vier Folgen der Serie »Familie Bergmann«: Anfang der 70er Jahre sollten sie den Westdeutschen das Leben im ihnen fremdgewordenen Osten des Landes nahebringen.
Weitere Ausgrabungen sind der ZDF-Film »Das Haus« über ein Gebäude an der Berliner Mauer, die NDR-Produktion »Gerhard Langhammer und die Freiheit« über die Probleme eines Flüchtlings im Westen oder der DEFA-Streifen »Was wäre, wenn …?«: 1960 spielte er durch, was geschehen könnte, sollte ein DDR-Dorf plötzlich die Seite wechseln – mit »Die Dubrow-Krise« entstand 1968 ein ähnlicher Film im Westen.
Zu den Raritäten zählen auch »Mord im Märkischen Viertel« über einen Kriminalfall in West-Berlin und »Brandstellen«,
die DEFA-Adaption eines Romans von Franz Josef Degenhardt. Schon 1966 war mit »Irrlicht und Feuer« ein gesellschaftskritisches Buch eines westdeutschen Autors, hier Max von der Grün, für das DDR-Fernsehen adaptiert worden. Und auch die ARD hatte diesen Zweiteiler 1968 gesendet.
Auf einen selbstkritischen Blick auf die eigene Seite verzichteten auch viele Westfilme über den Osten nicht. Ob in »Postlagernd Turteltaube«, »Flucht nach Berlin« oder »Gedenktag« (über den Volksaufstand vom 17. Juni 1953): Immer wieder lautete der Hauptvorwurf, die satten Westler interessiere der Osten nicht mehr.
Die Kritik, welche selbst diese Westfilme am Westen übten, verstärkte das Dilemma der Ostfilme: Eine differenzierte Darstellung der Zustände im Westen wie in »Zwischenfall in Benderath« war ohnehin eher die Ausnahme, oft wurde übertrieben und die Kritik an den Problemen entsprechend unscharf.
So wollte »Aktion J« nachweisen, dass Adenauers Kanzleramtsminister Hans Globke beim Holocaust eine gleich große Rolle gespielt hatte wie Adolf Eichmann. »Freispruch mangels Beweises«, die Verfilmung einer Münchner Affäre, wurde wenig später von der realen Entwicklung widerlegt. Gleiches war schon »Das verurteilte Dorf« widerfahren.
Da es unglaubwürdig gewesen wäre, verelendete Proletariermassen zu zeigen, widmeten sich die Ostfilme über den Westen gern den »besseren« Kreisen – und damit der Präsentation eines besonders schicken Ambientes und Lebensstils. Eine Produktion wie »Spielbankaffäre« wurde deshalb im Osten nur verstümmelt, in Schwarzweiß und im Bildformat 4:3 gezeigt. Und selbst ein Film, der von der Bundesrepublik so angewidert war wie »Der Hauptmann von Köln«, oder die Agentenserie »Das unsichtbare Visier« tappten in diese Falle.
Zu jeder der vierzig Produktionen gibt es eine fachkundige Einführung.