

Das verurteilte Dorf | Retro Überblendung
14.1.23 | 16 Uhr
DDR 1951/52 – 106 Min.– Schwarzweiß – R: Martin Hellberg – B: Kurt Stern, Jeanne Stern – K: Karl Plintzner, Joachim Hasler – M: Ernst Roters – D: Helga Göring, Günther Simon, Eduard von Winterstein, Albert Garbe, Marga Legal, Wolf Kaiser
Während des Koreakriegs, der einen neuen, gefährlichen Höhepunkt des Ost-West-Konflikts bildete und im Westen die Furcht vor einer ähnlichen Invasion in Europa schürte, entstand mit „Das verurteilte Dorf“ einer der ersten DEFA-Filme zur deutschen Teilung. Ausgehend von einem authentischen Fall, schildert er, wie sich nicht nur unter den Bewohnern eines westdeutschen Dorfes Widerstand regt, als dieses einem US-Militärflugplatz weichen soll. Passend zur damaligen kommunistischen Propaganda, die viel von Frieden redete und sich damit natürlich nicht gegen jene Aufrüstung und deutsche Wiederbewaffnung wandte, wie sie auch im Osten bereits betrieben wurde, zielt „Das verurteilte Dorf“ ganz unverhohlen darauf, die militärische Verteidigung des Westens zu sabotieren. So geht es denn den Dorfbewohnern plötzlich auch gar nicht mehr um die Rettung ihres Ortes, sondern um Krieg oder Frieden. Dabei bemerkten die Macher des Films nicht, wie sie hier zeigten, welch Widerstand im Westen sogar gegen die Besatzungsmacht möglich ist. Die Proteste waren sogar erfolgreich, derweil die im Film vorgeführte Gewalt gegen Demonstranten wenig später in der DDR in großem Maßstab angewandt wurde. Schon während der ganz auf Emotionen setzende Streifen, der auch vor nationalistischen Tönen („Deutschland den Deutschen“) nicht zurückschreckt, wenn diese denn nur „die Richtigen“ treffen, in den Kinos der DDR lief, wurden dort Tausende Menschen aus dem entlang der Zonengrenze errichteten Sperrgebiet zwangsumgesiedelt.
Gefördert mit Mitteln der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur.
Retro Überblendung:
Im Westen: Arbeitslosigkeit, Drogensucht, alte und neue Nazis, Prostitution, perspektivlose Jugendliche, falscher Schein von Aufschwung und Wohlstand, dahinter krasse soziale Gegensätze und Elend.
Im Osten: Überwachung, Unterdrückung, fanatische Kommunisten, Verfall, bescheidene Lebensverhältnisse, allgegenwärtige Angst und ein finsteres System, aus dem man flüchten möchte.
Haben Ost und West während der deutschen Teilung diejeweils andere Seite am liebsten so in Film und Fernsehen gezeigt?
Die Retrospektive »Überblendung – Vergessene Bilder von Ost und West« möchte zur Beantwortung dieser Frage beitragen, indem sie viele Raritäten präsentiert. Darunter schwer zu beschaffende Fernsehproduktionen, die wohl zum ersten Mal seit Jahrzehnten wieder zu sehen sind wie die Filme »Aus dem Alltag in der DDR« und vier Folgen der Serie »Familie Bergmann«: Anfang der 70er Jahre sollten sie den Westdeutschen das Leben im ihnen fremdgewordenen Osten des Landes nahebringen.
Weitere Ausgrabungen sind der ZDF-Film »Das Haus« über ein Gebäude an der Berliner Mauer, die NDR-Produktion »Gerhard Langhammer und die Freiheit« über die Probleme eines Flüchtlings im Westen oder der DEFA-Streifen »Was wäre, wenn …?«: 1960 spielte er durch, was geschehen könnte, sollte ein DDR-Dorf plötzlich die Seite wechseln – mit »Die Dubrow-Krise« entstand 1968 ein ähnlicher Film im Westen.
Zu den Raritäten zählen auch »Mord im Märkischen Viertel« über einen Kriminalfall in West-Berlin und »Brandstellen«,
die DEFA-Adaption eines Romans von Franz Josef Degenhardt. Schon 1966 war mit »Irrlicht und Feuer« ein gesellschaftskritisches Buch eines westdeutschen Autors, hier Max von der Grün, für das DDR-Fernsehen adaptiert worden. Und auch die ARD hatte diesen Zweiteiler 1968 gesendet.
Auf einen selbstkritischen Blick auf die eigene Seite verzichteten auch viele Westfilme über den Osten nicht. Ob in »Postlagernd Turteltaube«, »Flucht nach Berlin« oder »Gedenktag« (über den Volksaufstand vom 17. Juni 1953): Immer wieder lautete der Hauptvorwurf, die satten Westler interessiere der Osten nicht mehr.
Die Kritik, welche selbst diese Westfilme am Westen übten, verstärkte das Dilemma der Ostfilme: Eine differenzierte Darstellung der Zustände im Westen wie in »Zwischenfall in Benderath« war ohnehin eher die Ausnahme, oft wurde übertrieben und die Kritik an den Problemen entsprechend unscharf.
So wollte »Aktion J« nachweisen, dass Adenauers Kanzleramtsminister Hans Globke beim Holocaust eine gleich große Rolle gespielt hatte wie Adolf Eichmann. »Freispruch mangels Beweises«, die Verfilmung einer Münchner Affäre, wurde wenig später von der realen Entwicklung widerlegt. Gleiches war schon »Das verurteilte Dorf« widerfahren.
Da es unglaubwürdig gewesen wäre, verelendete Proletariermassen zu zeigen, widmeten sich die Ostfilme über den Westen gern den »besseren« Kreisen – und damit der Präsentation eines besonders schicken Ambientes und Lebensstils. Eine Produktion wie »Spielbankaffäre« wurde deshalb im Osten nur verstümmelt, in Schwarzweiß und im Bildformat 4:3 gezeigt. Und selbst ein Film, der von der Bundesrepublik so angewidert war wie »Der Hauptmann von Köln«, oder die Agentenserie »Das unsichtbare Visier« tappten in diese Falle.
Zu jeder der vierzig Produktionen gibt es eine fachkundige Einführung.