

Schon wieder Wohnungsnot: Lychener 64 – Berlin-Prenzlauer Berg
28.11. | 20 Uhr
Der Kampf ums Dach über dem Kopf | Berlin-Filme aus 100 Jahren
Lychener 64 – Berlin-Prenzlauer Berg
D 2010 – 83 Min. – Farbe – R+K: Jakob Rühle – B: Fabio Dondero – M: Hayden Chisholm
Zu Gast: Jakob Rühle (angefragt), Gesprächsführung: Claus Löser
Die nach der Wiedervereinigung begonnene Sanierung in Prenzlauer Berg profitierte von den Erfahrungen in Kreuzberg, Schöneberg oder Charlottenburg: Der Kahlschlag, zu DDR-Zeiten noch beabsichtigt, war kein Thema mehr, „behutsame Stadterneuerung“ das Ziel, unter Einbeziehung der Mieter. Die Ergebnisse sind ernüchternd: Zwar wurde die Bausubstanz erhalten und modernisiert, was bei der inzwischen eingetretenen Wertschätzung von Wohngebäuden aus der Kaiserzeit aber auch kein Kunststück darstellte. Ein wesentliches Ziel jedoch, die Verdrängung der alteingesessenen Mieter aus ihrem Stadtteil zu verhindern, wurde weitgehend verfehlt: In den Ost-Berliner Sanierungsgebieten und allen voran in Prenzlauer Berg fand ein weitgehender Austausch der Bevölkerung statt, die „Gentrifizierung“, vor 1989 schon in Kreuzberg unter dem Begriff „Umstrukturierung“ ein Schreckgespenst und Feindbild, wurde ohne großen Widerstand exekutiert.
Wie dies im Einzelfall abläuft, zeigt dieser Film am Beispiel des Hauses Lychener Straße 64, das in den Jahren 2005/2006 entmietet und saniert wurde. Eine exemplarische Geschichte, die gar nicht mal besonders dramatische Züge hat. Wobei „Sanierung“ auch hier bedeutet, entgegen den Intentionen der behutsamen Stadterneuerung: Vernichtung bezahlbaren Wohnraums, woraus natürlich automatisch eine Veränderung der sozialen Zusammensetzung, aber auch der Lebendigkeit eines Stadtteils folgt.
Doch die Zeit des großen, (selbst-)organisierten Widerstands ist vorbei, Fatalismus hat Einzug gehalten, die Nullerjahre sind in vieler Hinsicht eine bleierne Zeit. Hinzu kommt, dass, anders als in den westlichen Sanierungsgebieten der siebziger Jahre, mit einem einzigen großen Sanierungsträger auch ein einziger großer Feind fehlt: Nun schlägt man sich in jedem Haus mit anderen Eigentümern herum. Und wie bei der Zerstörung von Baudenkmalen oder der Verunstaltung des Stadtbilds scheint auch hier unverrückbar zu gelten: Am Ende siegt immer der Investor.