

Schon wieder Wohnungsnot: Wir wollen Blumen und Märchen bauen
21.11. | 20 Uhr
Der Kampf ums Dach über dem Kopf | Berlin-Filme aus 100 Jahren
Wir wollen Blumen und Märchen bauen
BRD 1970 – 109 Min. – Schwarzweiß und Farbe – R: Thomas Hartwig,
Jean-François Le Moign – K: Thomas Hartwig
Zu Gast: Thomas Hartwig, Gesprächsführung: Fabian Tietke
Große Neubausiedlungen galten in den sechziger Jahren als Schlüssel zur Lösung der Wohnungsnot. Schnell zeigten sich in zahlreichen der Trabantenstädte aber so viele Probleme, dass es bis heute weitgehend als tabu gilt, über die Errichtung weiterer solcher Großsiedlungen auch nur nachzudenken, obwohl es ohne sie kaum möglich sein dürfte, die Wohnraumknappheit zu lösen oder auch nur wirkungsvoll zu lindern.
Als besonders abschreckendes Beispiel einer „seelenlosen, menschenfeindlichen Betonwüste“ erlangte Ende der sechziger Jahre, noch vor seiner Fertigstellung, das West-Berliner Märkische Viertel bundesweit traurige Berühmtheit. War es doch mit außergewöhnlich großen Ambitionen in Angriff genommen worden, was die zahlreichen Probleme um so krasser erscheinen ließ. Dass sich links Gesinnte – häufig nicht zu unrecht – auf die Schwierigkeiten stürzten und diese als Beispiel für die Verkommenheit des ganzen kapitalistischen Systems verstanden wissen wollten, tat ein übriges.
Diese kaum mehr bekannte Dokumentation, die der NDR produzierte (und deren Titel den Aus- und Anspruch eines Architekten des Märkischen Viertels zitiert) zeigt eindringlich, welchen Defiziten das „MV“ seinen schlechten Ruf verdankte: Neben einer ungeschickten Belegungspolitik (fünfzig Prozent der Mieter waren Arbeiter, nicht wenige mit „schwierigen“ Familienverhältnissen) war auch hier der rechtzeitige Bau ausreichender Wohnfolgeeinrichtungen versäumt worden. Ein einziges kleines Jugendzentrum sollte Tausenden von Heranwachsenden dienen. Allerdings haperte es dort schon an der Kommunikation zwischen den als Betreuer engagierten Studenten und Akademikern und ihrer (sub-) proletarischen Klientel, die ihrer Orientierungslosigkeit und unterschwelligen Verzweiflung mit Suff und Gewalt Ausdruck verlieh und übergangslos zwischen Links- und Rechtsextremismus pendelte. Am Ende kapitulierten die Sozialpädagogen, mit ihrem Latein am Ende, was ihnen jedoch nicht Anlass gab, dieses Latein zu hinterfragen. Vielmehr stellten sie fest, den Arbeitern leider nicht helfen zu können, wenn man hier weiter an Symptomen herumdoktere – stattdessen müsste erstmal der Kapitalismus beseitigt werden.